Von New Work zu CoolWork?!
Eine ergiebige Spurensuche.

Arbeit neu denken. Arbeit so gestalten, dass sie möglichst vielen möglichst viel Freude bereitet. Und dadurch besseren Output liefert, weil sie eben leichter von der Hand geht. „Das Beste von allen für alle nutzen“, wie es Maike van den Boom auf der Tagung Zukunft.HR (siehe „HR Connect(s)“, 2025) formulierte.

Das beschäftigt mich in letzter Zeit intensiver denn je zuvor. Die Überlegungen münden in mein Konzept des „CoolWork“. Dieser Denkansatz ist allerdings nichts gänzlich Neues. Schon in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts sorgte die Idee des „New Work“ für Aufsehen. Formuliert durch einen in die USA ausgewanderten Österreicher. Sein Name: Frithjof Bergmann. Rund um die Krise der US-amerikanischen Autoindustrie (Klingt das nicht sehr vertraut?!) versuchte Bergmann, der darniederliegenden Wirtschaft in Detroit kräftige neue Impulse zu geben. Und propagierte daher seinen revolutionären Ansatz des New Work – der heutzutage den wenigsten tatsächlich bekannt ist, die diesen Begriff verwenden. Wer sich in die Theorie vertiefen will: ich empfehle diesen Link.

Manches davon klingt heute aktueller denn je. Doch alles der Reihe nach.

Der Ansatz von Frithjof Bergmann

Bergmann nahm die damalige Krise zum Anlass, Arbeit völlig neu zu denken. Im Gegensatz zum üblichen Ansatz. Im Gegensatz dazu, voll auf Erwerbsarbeit zu setzen, egal ob ein Job Nine-to-Five-Job oder mehrere verschiedene Jobs parallel. Und im Gegensatz dazu, sich darauf zu verlassen, dass viele Aktivitäten für das Gemeinwohl schon freiwillig und ehrenamtlich, also quasi für Gottes Lohn geleistet werden.

Da hatte Bergmann ganz etwas anderes im Sinn. Sein Vorschlag: drei verschiedene Kategorien von Arbeit, zeitlich etwa im gleichen Ausmaß zu erbringen, also jeweils ein Drittel der Wochenarbeitszeit umfassend.

  1. Die klassische Erwerbsarbeit, was wir landläufig als „unseren Job“ bezeichnen. Allerdings modern gestaltet, d.h. gekennzeichnet von Partizipation sowie Potenzial- und Entwicklungsorientierung.
  2. Dazu ein verpflichtender Anteil an gemeinwohlorientierter Arbeit. Tätigkeiten, die der Community dienen und sie aufrecht und intakt halten. Das wird „Eigenarbeit“ bzw. „High Tech Self Providing“ und „Community Production“ genannt. Weil im ursprünglichen Konzept allein davon die Rede ist, dass mithilfe von High Tech Produkte erzeugt werden, deren Verkauf der Community zugutekommen soll.
  3. Sowohl 1. als auch 2. sind zumindest in ihrem Ausmaß und in ihrer Gestaltung neuartig und mutig konzipiert. Nun gesellt sich noch etwas wirklich Innovatives dazu: Ebenso viel Zeit sollen Menschen mit Tätigkeiten verbringen, die sie wirklich, wirklich tun wollen. Sie sollen ihrer inneren Stimme, ihrer Leidenschaft, ihrer Berufung folgen. „Calling“ wird das dann genannt. Vielleicht angelehnt als Viktor Frankls „Anruf des Lebens“?!

Von Bergmanns New Work zum CoolWork …

Jetzt erlaube ich mir die Freiheit, das Ganze noch ein bisschen nach meinen Vorstellungen weiterzudenken. Was, wenn man zu der unter 2. angeführten Community-Arbeit auch alle zum Wohle der Community erbrachten Care-Tätigkeiten hinzuzählt?! Also von der einfachen Nachbarschaftshilfe über Kinderbetreuung bis hin zur Pflege und Betreuung von älteren Personen bzw. Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Dann würde dies alles noch viel spannender und mächtiger, deutlich weiter reichend, volkswirtschaftlich noch um einiges relevanter.

Und was, wenn der erste Anteil, also die ganz normale Erwerbsarbeit, ganz nach dem Vorbild des dritten Teils, also des „Callings“ gestaltet wäre?! Wenn also in die Verteilung und Ausgestaltung von Arbeit noch viel stärker einfließen würde, was die einzelnen Arbeitenden tatsächlich machen wollen?! Stellen wir uns eine Welt vor, in der Arbeit nichts mehr von dem Schreckgespenst des notwendigen Übels hätte, nichts mehr von der krankmachenden Ausbeutung von anderen bzw. von sich selbst. Wenn auf einmal alle (!) arbeitenden Menschen ein deutlich positiveres Bild von Arbeit hätten, sich mit Freude einbringen, froh sind, in überwiegendem Maß genau dies tun zu können, was sie gerne tun.

Jedenfalls wäre der aus heutiger Sicht mögliche Nutzen riesig. Weil:

  • Die Menge an menschlicher Arbeit wird aufgrund von Automatisierung, Digitalisierung und allen verwandten Phänomenen deutlich zurückgehen. Also ist, gesellschaftlich betrachtet, in Summe viel weniger Erwerbsarbeit zu „verteilen“. Die Reduktion des Umfangs der Erwerbsarbeit sorgt somit für eine breitere und gerechtere gesellschaftliche Verteilung von Arbeit.
  • Der Bedarf an „unproduktiver“ gemeinwohlorientierter Arbeit, z.B. Care-Arbeit in allen Facetten, wird in unserer alternden westlichen Gesellschaft weiter steigen oder zumindest konstant hoch bleiben. Die Budgets der öffentlichen Hand ächzen jedoch – zumindest in Europa – ja jetzt schon praktisch überall. Bedarf und Finanzierung klaffen immer weiter auseinander, schon jetzt decken neben der unentgeltlich geleisteten Betreuungsarbeit Leistungen wie Zivildienst oder Freiwilliges Soziales Jahr immense Lücken der Versorgung ab.
  • Wäre das Leisten von gemeinwohlorientierter Arbeit eine übliche, ganz normale Sache, würde dies wohl ein deutliches Mehr an Zusammenhalt und Verbundenheit schaffen. Quasi als super-wirksamer gesellschaftlicher Kitt fungieren.
  • Und durch die Möglichkeit, tatsächlich das zu tun, was man wirklich, wirklich tun will, sollte das individuelle Wohlbefinden massiv steigen. Was sich wiederum spürbar positiv auf gesamtgesellschaftlicher Ebene auswirken sollte.

Vielleicht aber sehe ich all das viel zu optimistisch. Quasi zu blauäugig und sozialromantisch. Wo man doch eh weiß, dass sich zu jeder verordneten Vorgabe – mag sie noch so sinnvoll, mannigfach vorteilhaft und gesamtgesellschaftlich nützlich sein – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Gegenbewegung der puren Verweigerung entwickelt.

Ebenso klar: Unser System wird dominiert (und damit auch abgesichert) von massiven ökonomischen und machtpolitischen Interessen, die zumindest danach streben, den traurigen Status Quo aufrechtzuerhalten, wenn nicht noch weiter in Richtung Abgrund, also in Richtung Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Zerstörung von menschenwürdigen und gesunden Lebensbedingungen voranzutreiben.

Und vermutlich gibt es noch etliche weitere Argumente, weshalb die Chancen auf Umsetzung eines solchen großen Konzeptes eher bescheiden ausfallen – auch wenn mir gerade keine berechtigten in den Sinn kommen wollen.

Naja, wie dem auch sei, man wird zumindest träumen dürfen …

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2025-12-02T11:33:18+01:00
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