Resilienz und Selbstwirksamkeit

Haben Sie manchmal das Gefühl, Sie wären „den Anderen“ bzw. „den Umständen“ hilflos ausgeliefert? Spielball im Spiel der Mächtigen, der Lauten, der Taktgeber, der Entscheider? Spielball des Schicksals, der aktuellen Weltlage, der Willkür der Politik? Geknechtet im gnadenlosen Takt des Business, gebeutelt vom Rhythmus, wo man mitmuss, gefangen im sich unaufhörlich drehenden Hamsterrad?

Übermächtige Kräfte, die sich gegen einen scheinbar verschworen haben. Schlimm? Ja, definitiv. Ausweglos? Nicht unbedingt.

Selbstwirksamkeit (engl. self efficacy) lautet das Gegenrezept auf Fachchinesisch. Ich nenne es Aussteigen aus der Passagier-Rolle. Oder das Surfen der Welle …

Das COVID-Vermächtnis

Die Pandemie mag vorbei sein. Ihre Auswirkungen und Nebenwirkungen bekommen wir allerdings noch länger zu spüren. Und dies gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen will vieles, was während der Pandemie zu kurz kam, aufgeholt, nachgeholt, kompensiert werden. Das ist wichtig und jetzt nicht weiter bedenklich, meine ich. Zum anderen erinnern wir uns noch gut, wie wir uns einem scheinbar übermächtigen Gegner sowie manch nicht nachvollziehbarer Behördenvorgabe (z.B. Sperre der Wiener Parks, Ausgangssperre generell) ausgeliefert wähnten. Das Erleben von Ohnmacht samt aller dazugehörender Emotionen. Wir waren wütend, hatten Angst und wir trauerten auch. Nachzulesen unter anderem in meinem persönlichen COVID-Logbuch.

Und dann war da noch etwas. Wir wurden mit dem konfrontiert, was Erwin Ringel und Erich Fromm uns, also Österreich bzw. den Österreicher*innen, schon vor vielen Jahrzehnten zugeschrieben hatten: einen höchst ambivalenten Umgang mit Autoritäten. Dem Kuschen vor der Obrigkeit, der unterwürfigsten Unterordnung und Selbstverleugnung folgt im nächsten Atemzug das angriffslustige Aufbegehren gegen dieselbe. Der Autor Josef Haslinger, ein ebenso kritischer und aufmerksamer Geist, hat das bei einer Veranstaltung in Wien (das muss im Jahr 1988 gewesen sein) sinngemäß so formuliert: Österreich sei – genauso wie Süddeutschland – ideell, also von seiner Gesinnung, im Geist der Gegenreformation stecken geblieben. Die Macht der Obrigkeit, die sich mit der Hörigkeit der breiten Masse zu einer unheilvollen Koalition verbündet und somit alles Kritische und Reformatorische im Keim erstickt. Kommt Ihnen das bekannt vor? Kein Wunder, dass unter solchen Umständen diejenigen den meisten Zulauf genießen, die eine Plattform der Wut symbolisieren und sich auf einfache Botschaften (ich will deren Ansätze gar nicht als „Lösungen“ bezeichnen) beschränken. Und dabei diesen Geist des Autoritären zum Ausdruck bringen, den sie, wohl gemerkt, bei den „Falschen“, also ihren Gegnern so anprangern … Ich könnte mich hier noch weiter austoben und gegen diese Gruppen, „Bewegungen“ und Parteien wettern. Das täte zwar vielleicht gut, indem ich mir etwas Luft verschaffe, wäre jedoch definitiv nicht im Sinne dieses Beitrags. Es soll ja darum gehen, wo man selbst ansetzen kann. Tja. Blöd. Das liegt leider außerhalb meines unmittelbaren Wirkungskreises.

Resi hat die Antwort

Resilienz lautet das neue, alte Lösungskonzept. Mehr als bloße Robustheit oder Widerstandsfähigkeit, was man früher unter Resilienz verstand. Aktuelle Ansätze der Resilienzforschung richten ihren Fokus auf die Anpassungs-, Lern- und Veränderungsfähigkeit von Menschen, Teams und größeren Systemen. Darauf kommt es an.

Schaffen wir es, nicht nur einigermaßen unbeschadet, sondern sogar gestärkt (weil schlauer, fitter, weniger etc.) aus überstandenen Krisen und Turbulenzen hervorzugehen? Nur wenn sich dies eindeutig mit Ja beantworten lässt, kann man das System als hochresilient bezeichnen.

Welche Voraussetzungen, welche förderlichen Faktoren werden in der aktuellen Resilienzforschung angeführt? Auf der persönlichen Seite sind dies unter anderem:

  • Optimismus, Zuversicht, Annehmen der „Realität“,
  • Lösungsorientierung und der Blick nach vorne
  • und eben die angesprochene Selbstwirksamkeit, also die Fähigkeit, selbst etwas zu bewirken.

Man steigt aus der Opferrolle aus, akzeptiert aus einer positiv-konstruktiven Grundhaltung heraus die widrigen Umstände und übernimmt Verantwortung. Man trägt somit seinen Teil zur Verbesserung der Situation bzw. zu einem besseren Umgang mit der Situation bei.

Auch nicht zu verachten, inwiefern das (Arbeits-)Umfeld zur Stärkung der Resilienz beiträgt. Im Optimalfall ein wertvolles, unterstützendes Netzwerk, das unter anderem folgendes leistet:

  • Anerkennungs-Qualität
  • Emotionaler Rückhalt
  • Leadership-Qualität
  • Entfaltungsmöglichkeiten

Surfbrett statt Lenkrad?!

Ganz zentral ist wie gesagt die Haltung, sich nicht in die Passivität, in die Rolle des hilflosen Passagiers oder gar Opfers drängen zu lassen. Sondern (pro-)aktiv zu schauen, wo man selbst etwas tun kann. Zumindest dafür zu sorgen, dass man sich Gutes tut. Selbst im schlimmsten Stress sind Momente des Innehaltens und Sich-gewahr-Werdens nicht nur möglich, sondern gerade dann absolut angesagt!

Jetzt ist das so eine Sache mit den eigenen Möglichkeiten. Gelingt es uns tatsächlich jemals, das Steuer zu übernehmen? Oder sitzen wir da eher einer Wunschvorstellung auf, einer Illusion? Wer kann allen Ernstes behaupten, er oder sie hätte völlige Kontrolle über die wichtigen Dinge im Leben?!

Manchmal, gar nicht so selten, verhält es sich vielmehr so, wie es Josef Hader in seinem wunderbaren Lied „So ist das Leben“ absolut treffend besingt: „Das Leben spielt mit uns“.

Kleine Anregung: Vielleicht sollten wir die Metapher des kontrollierten Steuerns über Bord kippen!? Ja, natürlich spielen wir gerne Kapitän oder Steuerfrau, machen uns vor, wie toll und heldenhaft wir nicht sind, und wie großartig wir es allein durch unser souveränes Handeln durch die wildeste See schaffen. Und wenn wir wieder einmal heil an allen Klippen vorbeigekommen sind, klopfen wir uns auf die Schulter und tun so, als hätten wir stets die volle Kontrolle gehabt.

Zum Meistern dieser Herausforderungen passt doch viel eher das Bild eines Surfers. Stets umsichtig und demütig nimmt er die Kraft der Wellen an, lässt manch eine unpassende vorbeiziehen, erkennt die Chance, richtet sein Surfbrett aus, lässt sich von der hoffentlich richtigen Welle mitnehmen, wird durch und durch nass dabei und vielfach von den Wellen wieder abgeworfen.

Ganz in diesem Sinne geht es beim Meistern der Herausforderungen, die uns das Leben bietet, um die Kunst, die Welle zu surfen. Das entspricht übrigens auch viel eher dem neuen Verständnis von Resilienz im Sinne von Lern- und Veränderungsfähigkeit. Nur wer sich demütig, offen und lernbereit den Dynamiken gegenüberstellt, wird erneuert und gestärkt aus diesen hervorgehen.

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