Schöne Grüße von Rocky Balboa – Coaching in der Sparringzone

Vielleicht fragen Sie sich: Was, bitte sehr, haben Coaching und Boxen gemeinsam?
Nun, beides hat mit Sparring zu tun. Mit „so tun als ob“, also den Ernstfall simulieren. Genau das kann Coaching – very near to the job!

Die entscheidende Frage lautet: Weshalb braucht es einen professionellen Sparringpartner?

Tja. Schon blöd. Es wird nicht leichter, gute Entscheidungen zu treffen. Wo doch praktisch alles mit allem zusammenhängt. Da kann es schon mal passieren, dass man etwas Wesentliches übersieht. Stress, Tunnelblick oder einfach bloß fokussiert auf das Wesentliche, also ebenfalls eingeengt im Blickfeld.
Das kommt unter anderem davon, dass man sich als Lonesome Guy, als Maverick definiert. Nur: Die Zeit der Einzelgänger-Heroes ist längst passé.

Manche Glückspilze haben’s richtig fein. Die wissen gute Teamplayer um sich, wertvolle Kolleg*innen, die einem den Spiegel vorhalten und vor Sackgassen und Fallen sowie vorschnellen Falschentscheidungen und Fehltritten warnen. Kolleg*innen auf Augenhöhe, interne Berater*innen und Einsager*innen. Die nicht davor zurückschrecken, auch kritisches Feedback zu geben. So wertvoll! Mit solchen Menschen im Umfeld darf man sich wahrlich glücklich schätzen.
Und dann sind da jene, die zähneknirschend Randy Newman zustimmen müssen: „It’s lonely at the top.“

Also, John Wayne, Lucky Luke und wie immer ihr Helden euch nennen mögt, steigt ab von eurem hohen Ross. Etwas Bodenständigkeit tut auch euch gut. Wenn ihr schon in eurer Organisation niemanden habt, dem ihr euch anvertrauen könnt bzw. wollt, es besteht trotzdem Hoffnung. Hoffnung auf ein gleichermaßen forderndes wie unterstützendes, stärkendes Gegenüber. Als Korrektiv, als Advocatus Diaboli, der die bösen Fragen stellt, die sonst niemand zu stellen wagt, als Agent Provocateur. Als Sparringpartner, mit dem ihr im geschützten, vertraulichen Rahmen alles Mögliche und Unmögliche bedenken, besprechen, spinnen, verwerfen, erfinden und simulieren könnt.

Übrigens soll ich euch schöne Grüße von einem gewissen Rocky Balboa bestellen. Er erschien mir einmal in einem Traum – ich liebe mein Unbewusstes! Nachzulesen im Buch „Coaching schafft Räume“ ab Seite 154 bzw. seit neuestem auch hier:

Eine Begegnung oder: Die Möglichkeit des Unmöglichen

Es ist arschkalt. Wie komme ich um diese nachtschlafende Zeit auf die Straße, auf diese Straße, hier in – Philadelphia? Ja, Philadelphia. Was mache ich überhaupt hier? Lauftraining? Vorbereitung auf irgendeinen Marathon, den ich ohnehin nie laufen werde? Und wer ist dieser Verrückte ein paar Meter vor mir? Mein Personal Trainer? Kein Profiläufer jedenfalls, nach seiner Ausrüstung zu schließen: ein Paar Converse, ein Jogging-Anzug mit Schlabberhosen und ein Kapuzen-Sweater mit verwaschener Aufschrift. Was steht da drauf? The Italian …?
Er schlägt ein unglaubliches Tempo an, ich kann ihm kaum folgen. Ihm scheint das nichts auszumachen, er hat auch noch die Muße, immer wieder mal nach links oder rechts in die Luft zu boxen. Da sehe ich, er trägt keine Handschuhe, sondern hat die Hände bandagiert.
Vor der großen Treppe muss ich klein beigeben. Ich beobachte ihn weiter, wie er zwei, drei Stufen auf einmal nimmt, die Leichtigkeit in Person. Wo er doch 190 Pfund auf die Waage bringt. Moment, wie kann ich das wissen? Keine Ahnung.
Da, er ist stehen geblieben, oben am Philadelphia Museum of Art, streckt die Arme in einer Siegerpose in die Höhe, dem frühmorgendlichen Himmel entgegen. Tätätärä-tätätädä! Tätätärä-tätätädä! Tätätärä-tätätädä! Tätätärä-tätätädä! Tädätää tädäää. Tädätää tädäää. … Die Fanfaren schmettern. Das Orchester setzt ein. 

Jetzt weiß ich, wer du bist. Rocky Balboa! Nicht zu glauben. Bist du es wirklich? The Italian Stallion, der sentimentale Held aus der Gosse von Philly? Tatsächlich. Kurz vor deinem großen Kampf am Neujahrstag. Gegen Apollo Creed, den regierenden Weltmeister im Schwergewicht. Ich bin völlig außer mir … wow, dass ich dich hier treffe! Dass du dich gerade jetzt mit mir abgibst, wo dich doch ganz anderes kümmern sollte. Oder mache ich mir da etwas vor?
Du weißt vermutlich nicht, wer ich bin. Egal, ist auch nicht wichtig. Trotzdem, so warte doch! Wenn ich schon mal die Gelegenheit habe …

 Eben warst du noch da, oben auf der Treppe. Plötzlich sind wir in einem düsteren Viertel. Du trägst jetzt diese Boots, den schwarzen Hut, die schwarze Lederjacke und diese fingerlosen Handschuhe. Hey, kannst du mich überhaupt sehen?
Ich hoffe zumindest auf ein „Yo, man“.
Doch da kommt nichts. Nichts. Es ist, als ob du durch mich hindurch sehen würdest. Keine Reaktion, nur dein Blick.
Das Cut über deiner linken Augenbraue, stammt das von deinem letzten Kampf? Wie lief es? Gut, hm?
Oder verunsichere ich dich etwa? Ist dir das unangenehm? Kann mir schon vorstellen, auf diese Begegnung warst du nicht vorbereitet. Fühlst du dich gar ertappt? Was?
Wieder nur dein Blick, dein ausdrucksloser und doch so starker Blick.
Sag, wie war das, als dein alter Coach das Training mit dir wieder aufnahm? Als er dir die Beine zusammenband, damit du an deiner Balance arbeiten kannst? Glaubt er wieder an dich? Hilft er dir? Welche Tricks bringt er dir bei? Wie bereitet ihr euch auf den großen Kampf vor, auf diese unverhoffte Chance? Hast du ihm das mit den Rinderhälften erzählt? Wohl eine willkommene Abwechslung zu all den großen und kleinen Sandsäcken, die da in eurem Club von der Decke herabhängen … 

Ich halte inne. Was bilde ich mir eigentlich ein? Da texte ich Rocky Balboa zu und erwarte mir – ja, was? Antworten? Einen geistreichen Dialog gar?

Da wird mir klar, ich gehöre nicht in diese Geschichte. Der Hintergrund ist für mich vorgesehen. Der Zuschauerraum. Das Off.
Aus dem heraus beobachte ich, wie Rocky noch einige belanglose Worte mit der Straßenclique wechselt und dann langsam zu seinem Haus geht. Als er die Tür aufsperrt, will ich mich noch mal bemerkbar machen. Keine Chance, das klappt nicht. Die Szenerie wird undeutlich, ich schließe die Augen, verschiedene Plätze rauschen an mir vorbei: der Boxclub, die Straße, das Philadelphia Museum of Art mit seiner großen Treppe, das Tiergeschäft, sogar Rockys Wohnung.
 

Als ich die Augen wieder öffne, ist alles verblichen. Nur ein Film, sage ich zu mir. Versuche mich zu beruhigen, mir einzureden, ich hätte mir da was vorgemacht. Doch so einfach ist die Sache nicht. Da ist nach wie vor dieser Blick, dieser so unbeirrbare Blick. Der zu mir spricht, der mir sagt, begleite du mich in meiner Vorbereitung auf den großen Kampf, sieh dir das alles gut an, meinen tristen Job des Geldeintreibens, die alltäglichen Demütigungen, meine tollpatschigen Versuche bei der ebenso schüchternen Adrian zu landen, das Spielen mit Butkus, dem Hund, die Härten des Trainings, die langsamen Fortschritte, die Nacht und die Kälte. Sieh dir das ruhig an. Und dann mach auch du was daraus.

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