Ist schlecht zu führen ein männliches Privileg?
Gute Frage. Die Antwort scheint sich aufzudrängen. Zumindest, wenn man sich an Filme und Serien hält. Stromberg ist ein Mann, ebenso David Brent aus „The Office“. Und Javier Bardem als Julio Blanco in „El buen patrón“ (dt. „Der perfekte Chef“) sowieso. Aber gerade diese Filme und Serien spielen mit bestens vertrauten Stereotypen, treiben sie auf die Spitze und machen sie dadurch lächerlich und liebenswert zugleich.Und ich? Auch ich habe mich ganz bewusst für das Nicht-Gendern in meinem Buchtitel „Echt jetzt, Chef?“ entschieden. Auch mir geht es dabei in erster Linie um Zuspitzung. Es auf den – vielleicht etwas zu vereinfachenden?! – Punkt zu bringen. Konsequenterweise sind die meisten Hauptfiguren meiner Geschichten Männer: der Egomane Tim Wanka, der Blender Manfred Wurmgrabner, der Seelenschlächter Kostic, der Einfaltspinsel Fred Bemmelmann. Und nicht zuletzt der Perfektionist Giorgio Selenko.
Da steckt doch mehr dahinter als bloßes Spielen mit Stereotypen. Bei manchen der von mir beschriebenen lausigen Leader handelt es sich wohl tatsächlich um männliche Domänen. Das egomanische, also rein ich-bezogene Auftreten etwa – vor allem in Kombination mit brutaler Menschenverachtung und trickreich-manipulativem Agieren, die berüchtigte „Dunkle Triade“.
Der Organisationspsychologe Tomas Chamorro-Premuzic weist in einem auf YouTube veröffentlichten TED-Talk auf eine weitere bedenkliche „Stärke“ von uns Männern allgemein und miesen Managern im Besonderen hin: die systematische Selbstüberschätzung. Viele von uns erkennen ihre Defizite nicht, überschätzen dafür maßlos ihre Kompetenzen, also ihr Wissen, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten. Der berühmt-berüchtigte „Dunning-Kruger-Effekt“. Anzutreffen insbesondere unter jenen, die auf den Einsatz ihrer Denk- und Reflexionswerkzeuge weitgehend verzichten – entweder weil es ihnen zu mühsam ist oder weil sie es einfach nicht draufhaben. Am treffendsten hat dies John Cleese formuliert: „The problem with people like this is that they are so stupid they have no idea how stupid they are.“
Treiben wir das Ganze noch etwas stärker auf die Spitze. Vielleicht haben Sie ja schon damit begonnen, eine gedankliche Strichliste anzulegen. Wie viele richtig schlechte Manager fallen Ihnen ein – und wie viele Managerinnen dieser Art? Wie verteilen sich die Häufigkeiten? Ich vermute, Ihr Ergebnis besteht aus mindestens 80 Prozent Männern.
Da haben wir den klassischen Fall einer irreführenden Urteilsheuristik. Nur weil wir mehr Männer in Führungspositionen kennen bzw. weil wir – vor allem hochdotierte – Führungsjobs eher mit Männern in Verbindung bringen, fallen uns automatisch mehr Pfeifen, mehr Versager ein als schwache weibliche Führungspositionen. Die größere Grundgesamtheit sowie das Faktum, dass uns auf die Schnelle deutlich mehr berühmte (und berüchtigte) Männer in den Sinn kommen, verleiten uns dazu, Männer in allen damit verbundenen Belangen als überrepräsentiert wahrzunehmen.
Mit dieser Einschätzung, dass Männer in all diesen Belangen und damit auch im Thema „Bad Management“ überrepräsentiert sind, liegen wir vermutlich gar nicht so falsch. Nur die daraus abgeleitete Überzeugung ist äußerst fragwürdig. Nämlich, dass das Phänomen miesen Managens ein ausschließlich männliches ist, weil Männer es schlichtweg schlechter können.
Das Resümee muss also lauten: Es handelt sich beileibe nicht um ein rein männliches Privileg. Auch Frauen muss eingeräumt werden, dass sie in punkto Leadership schwer danebengreifen können. Vielleicht nicht so häufig, vielleicht nicht so aufdringlich, wohl in mancherlei Hinsicht anders. So weit, so entspannend.
Auch wenn man(n) es noch so gut meint mit der Chancengleichheit der Geschlechter – sowohl die Vorzüge als auch ein etwaiges Fehlverhalten betreffend – bleibt noch ein kritischer Befund. Ein irritierender Sachverhalt, der leider weiter bestehen und nicht so leicht vom Tisch zu wischen sein wird: Manche der ärgsten Phänomene miserablen Managens (wie etwa die oben angeführte „Dunkle Triade“) sind nur mit Verweis auf die schwerwiegend toxische Männlichkeit hinreichend zu erklären, die in diesem Handeln ihren Ausdruck findet. Sorry, guys.